H. 1.95 m. Inv. No. 907.Rome, Vatican Museums, Pius-Clementine Museum, Octagonal Court, Hermes Cabinet, 2Photo by Sergey Sosnovskiy
Statue of the Belvedere Hermes.
H. 1.95 m.
Rome, Vatican Museums, Pius-Clementine Museum, Octagonal Court, Hermes Cabinet, 2
(Roma, Musei Vaticani, Museo Pio-Clementino, Cortile ottagono, Gabinetto dell’Hermes, 2).
53. Statue des Hermes (Taf. 12).
H. 1,95 m. Grofskörniger weifser Marmor.
Ergänzt die Zehen des r. Fufses bis auf den kleinen, längliche Flicken im r. Oberschenkel oben, zwei kleine Flicken über der l. Ferse, Stück des S.133 Palmstammes l. unten, die Basis bis auf den Kern unter und zwischen den Füfsen. Gebrochen war der l. Unterarm mit Chlamys, r. Bein oben und am Knöchel, l. Unterschenkel am Knie und Knöchel, zwei Stücke der l. Ferse. Die Brüche sind mit Gips verschmiert. Abgebrochen sind r. Arm, l. Hand, Teile der Chlamys oben und der ganze Zipfel unten, das stützende Stück Marmor unter der l. Sohle. Aus der r. Hüfte ist an der Stelle, wo die Hand lag, ein Teil ausgebrochen; ein Ansatz für die Chlamys an der l. Wade. Für eine Ergänzung, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausgeführt war, dann aber wieder entfernt worden ist (Michaelis Jahrbuch d. I. 1890 S. 35 Anm. 126), befinden sich grofse Löcher in dem Stumpf des r. Armes, dem Ansatz der r. Hand (zwei), dem Stumpf der l. Hand und der Chlamys daneben, endlich unter der l. Ferse. In dem Ansatz der Chlamys an der l. Wade ein kleines Loch. Die Zusammensetzung ist nachlässig; die Brüche stofsen nicht genau aufeinander; doch handelt es sich nur um Millimeter, und Überarbeitungen scheinen gerade dort gar nicht stattgefunden zu haben. Wahrscheinlich aber ist die Glättung der Figur modern, oder es wurde doch in moderner Zeit nachgeholfen; besonders stark abgeschliffen ist die Nase.
Der Gott steht aufrecht mit r. Standbein, das durch einen Palmstamm verstärkt wird; der l. Fufs ist mit erhobener Ferse leicht zur Seite und etwas zurückgesetzt. Die r. Hüfte ist stark ausgebogen; auf sie stützte sich die r. Hand, wie wir durch Repliken wissen, in eigenartig zierlicher Haltung: den Handrücken nach vorn, den Daumen nach oben, den kleinen Finger nach unten ausgestreckt, die übrigen Finger nach hinten gebogen. Die gesenkte L. hielt, Repliken zufolge, das Kerykeion; um den Unterarm ist von aufsen nach innen ein Zipfel der Chlamys geschlungen, der ursprünglich bis zur Wade des Fufses herabhing; der andere Zipfel liegt auf der l. Schulter. Das kurzgelockte Haupt wendet und senkt sich mit ernstem Ausdruck nach der r. Schulter. Während die Oberfläche der Chlamys gerauht ist, hat der Bildhauer den Fleischteilen eine Politur gegeben, die es wahrscheinlich macht, dafs er zu den Zeiten Hadrians gelebt hat. Die Formen haben etwas Leeres und am Körper etwas Geschwollenes, was auf die gleiche Zeit raten läfst. Die Brustwarzen sind umrissen; daraus und aus der Composition im ganzen, sowie aus der Verschiedenheit der Stützen des rechten Beines an den einzelnen Repliken hat man mit Recht geschlossen, das Original sei ein Bronzewerk gewesen.
S.134 Die Statue war die einzige bedeutende Antike, durch die Paul III. die belvederische Sammlung bereicherte. Die früher verbreitete Angabe, sie sei unter Leo X. unweit der Kirche S. Martino dei Monti an einem ehemals Adrianello genannten Orte gefunden worden, ist falsch. »Nach dem durchaus glaubwürdigen Zeugnis des päpstlichen Leibarztes Mercati, der nur etwa zwanzig Jahre später sein Amt antrat, ward die Statue unter Paul III. aufserhalb der Stadt in einem Garten nahe bei der Engelsburg gefunden. Ja, es läfst sich mit grofser Wahrscheinlichkeit noch Genaueres ermitteln. Am 27. Februar 1543 wurden dem römischen Bürger Nicolaus de Palis aus der päpstlichen Kasse ,für eine sehr schöne Marmorstatue, die er Seiner Heiligkeit geschenkt und die der Papst im belvederischen Garten hatte aufstellen lassen‘, 1000 Dukaten in Gold ausgezahlt… Dazu kommt, dafs in Bufalinis Stadtplan vom Jahre 1551 gerade an der von Mercati bezeichneten Stelle, aufserhalb der Mauer zwischen der späteren Porta Angelica und der Porta Castello, ein Vin. Horatii Pallini angegeben ist. Die Ähnlichkeit der Namen ist grofs genug, um die Identität der Familie wahrscheinlich zu machen, und der Fundort in der Nähe des Vaticans mag die Ausnahme von des Papstes sonstiger Verwendung seiner Antiken veranlafst haben. Für die Erwerbung der Statue nach 1540 spricht auch noch der Umstand, dafs Primaticcio, der in jenem Jahre für Franz I. Formen der schönsten belvederischen Antiken nehmen liefs, den Laokoon, den Apollon, die Knidierin, die Kleopatra, den Tiber und den “Commodus” dafür auswählte, während vom Antinous keine Rede ist« (Michaelis Jahrbuch d. I. a. unten a. O.). Die Figur wurde zunächst in der Nische der Venus (Nr. 42) aufgestellt, während an ihrem jetzigen Platze die Statue des Herakles mit dem kleinen Telephos stand (Museo Chiaramonti Nr. 633). Napoleon liefs sie 1797 nach Paris schaffen, von wo sie 1816 wieder zurückkam; damals stellte man sie an ihrem jetzigen Platze auf.
Als die Figur gefunden wurde, glaubte man in dem Gesichte Ähnlichkeit mit Antinous, dem Liebling des Hadrian, zu erkennen, wozu auch der fälschlich angenommene Fundort (Adrianello), der Formencharakter und der melancholische S.135 Ausdruck des Kopfes beigetragen haben mag. Winckelmann hielt sie für Meleager, Zoega wegen der mangelhaften Bildung der Knöchel für Oedipus. Erst Visconti gab nach Vergleich mit einer besser erhaltenen Replik die richtige Deutung auf Hermes. Die Zahl der erkannten Repliken hat sich seitdem vermehrt (Klein a. unten a. O.). Hinzuzufügen wäre dieser Liste ein Torso im Fitzwilliam-Museum zu Cambridge aus Salamis auf Cypern [Handbook S. 59 unten] und eine Replik des Kopfes, die der Verfasser vor einiger Zeit im römischen Kunsthandel sah. Die Replik in Petersburg s. jetzt bei Kieseritzky Eremitage Nr. 163). Am vollständigsten erhalten ist die schon von Visconti herangezogene Replik, damals im Palazzo Farnese, heute im British Museum (A. Smith Catalogue of sculpture III Nr. 1599 Pl. IV; Klein a. a. O. S. 391 Fig. 79); dort trägt der Gott Flügel und Sandalen an den Füfsen. Man hat gemeint, auch bei der vaticanischen Replik seien Flügel vorhanden gewesen und die Entfernung ihrer Reste durch den modernen Restaurator habe den Knöcheln ihre verunglückte Form gegeben; aber nirgends sind Spuren einer so eingreifenden Überarbeitung kenntlich; zudem müfste der äufsere Flügel des r. Fufses eine Spur am Stamme hinterlassen haben, die man vergeblich sucht. Auch an der Petersburger Replik und dem »Hermes von Andros« in Athen (Friederichs-Wolters Bausteine Nr. 1220; Brunn-Bruckmann Denkmäler 18), der dem Original zeitlich am nächsten steht, fehlen Flügel und Sandalen; an allen anderen Copieen sind die Füfse entweder nicht mehr vorhanden oder ergänzt. Demnach wird man schliefsen dürfen, dafs auch das Original diese Abzeichen entbehrt hat, wenn auch die Londoner Statue gerade recht gut und sorgfältig gearbeitet ist, und es im allgemeinen verständlicher erscheinen könnte, dafs ein Künstler diese Zieraten für Bronze erdacht hätte, in der sie leicht ausführbar waren, als dafs sich ein Copist die Arbeit in Marmor ohne Notwendigkeit erschwert hätte. Das Einfachere wird hier eben auch das Ursprüngliche sein.
Die einen haben in der Figur eine Darstellung des Hermes Enagonios, andere den Psychopompos erkennen wollen. Für die erste dieser beiden Ansichten könnte man S.136 darauf aufmerksam machen, dafs die Ohren an der vaticanischen Replik leicht verschwollen sind; weniger bedeutsam ist, dafs ein Exemplar in den Ruinen einer römischen Villa mit einer Copie des stehenden Diskobolen zusammen gefunden wurde (Michaelis Ancient marbles a. a. O.; vgl. Sala della biga Nr. 615); dagegen mufs ganz entschieden betont werden, dafs dieser Hermes in keiner seiner Wiederholungen, weder in seinen Formen noch in der Haltung, einen athletischen Eindruck macht. Jedenfalls wird die andere Ansicht dem besonderen Charakter des Werkes weit mehr gerecht, und für sie kann man die Tatsache ins Feld führen, dafs eine Replik (Andros) in einem Grabe, eine andere (Thasos) in einem Heroon gefunden wurde, mag man nun annehmen, dafs in beiden Fällen der Gott selbst oder ein Verstorbener unter seinem Bilde von den Weihenden geehrt werden sollte, Neigung und Ausdruck des Kopfes zeigen sicher nichts von süfser Träumerei, sondern in sich gesammelten Ernst, der mit der Lässigkeit in der Haltung des Körpers vereint, bei den meisten Beschauern den Eindruck stiller Trauer erweckt. Das wird noch deutlicher, wenn man die Statue mit dem Werk vergleicht, dessen glücklicher Fund es sofort ermöglichte, auch für sie Künstler und Entstehungszeit zu bestimmen, mit dem Hermes des Praxiteles in Olympia (vgl. die Nebeneinanderstellung im Modernen Cicerone a. a. O.); dort ist alles sonnige Heiterkeit. Und dieser Gegensatz würde sicher noch überzeugender wirken, wenn wir neben das Originalwerk aus Marmor auch das aus Bronze stellen könnten. Auf dieser Verschiedenheit der Conception beruhen denn auch die einzigen Abweichungen der beiden Figuren voneinander, und es zweifelt wohl heute niemand mehr, dafs das Original des »Antinous« ebenfalls eine Schöpfung des Praxiteles war. Auch ein so charakteristisches Motiv wie die etwas gezierte Haltung der r. Hand ist dafür entscheidend: sie findet sich wieder an dem sog. Narcifs in Neapel und dem jugendlichen Asklepios in Karlsruhe (vgl. Friedrich-Wolters Nr. 1758), den Furtwängler (Meisterwerke S. 519f. Fig. 95) nach Meinung des Verfassers irrtümlich dem Skopas zugeschrieben hat (vgl. eine Münze von Serdica in Thrakien [Zeit des S.137 Caracalla] bei Macdonald Greek coins in the Hunterian collection I Pl. XXX 1 S. 446). Die Entstehung des Hermes von Olympia wird jetzt allgemein in die spätere Lebenszeit des Praxiteles datiert, d. h. in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts, und in der gleichen Periode, eher später, wird auch die Entstehung des »Antinous« angenommen. Nur Gräf hat letzthin (Verhandlungen der Philologen-Versammlung in Hamburg S. 94) die Ansicht aufgestellt, der »Antinous« stamme vielmehr aus einer wesentlich früheren Zeit als der Hermes von Olympia; dem widerspricht nach Ansicht des Verfassers die sehr bewegte Stellung des Körpers (die Verfeinerung und Verkleinerung der Gesichtsformen, die Gräf auch geltend macht, sind ein allgemeines Charakteristikum aller Werke des 4. Jahrhunderts im Gegensatz zu denen der phidiasischen Epoche).
Aldrovandi, Boissard, Montfaucon, Venuti, Ficoroni vgl. hierselbst S. 2; Cavalieri Antiquarum statuarum Urbis Romae I. et II. liber (vor 1578) Taf. 5; Vaccaria Antiquarum statuarum icones (1584) I Taf. 28; Mercati Metallotheca (nachgelassen, erschienen 1717) S. 363ff.; Franzini Icones Statuarum antiquarum Urbis Romae (1589) S. 8 Taf. a; Vaccaria a. a. O. (1621) II Taf. 53; Perrier Segmenta nobilium signorum et statuarum (1638) Taf. 53; De Rossi Insign. statuarum icones (1645) I Taf. 5; Bisschop Signorum veterum icones (1670—
Photographie Alinari 6606 (4); 6607 (Kopf von vorn; 2); 6607a (Kopf im Profil); Anderson 1303 (4); 1304 (Kopf; 2); 3885 (Kopf von vorn); 3886 (Kopf im Profil); Moscioni 378; 2603 (1/2 foglio); Compagnia rotografica 789; 403 (cab.); 2046 (foglio).
© 1903. Description: W. Amelung. Die Sculpturen des Vaticanischen Museums. Berlin, 1903. Band I. S. 132—138.