102 n. Sarkophag mit Darstellung einer Vermählung (Taf. 27)
H. 1,00 m. L. 2,045 m. T. 1,05 m. Großkrystallinischer gelblicher Marmor.
Ein wagerechter Sprung geht durch die ganze Vorderseite unten. Vorne sind sämtliche Gesichter fast ganz zerstört; auch fehlen Teile, wie die Unterarme des Hymenaeus mit Anfang und Ende der Fackel, Teil vom l. Unterarm der Frau l. vom Hymenaeus, r. Bein des Amor und Teil seines l. Beines, l. Vorderbein des Stiers. Die Nebenseiten sind besser erhalten; in beiden oben Löcher für die Verklammerung des Deckels (das r. ganz S.291 durchgebohrt). Oben auf dem Rand der l. Seite zwei moderne Eisenhaken, auf dem der rechten der Rest von einem. Ein Teil des Randes r. hinten ist ausgebrochen.
An der Vorderseite Hochrelief: in der Mitte ein runder Altar mit bogenförmig hängender Guirlande, reichlich mit Früchten belegt; r. von ihm steht ein Togatus, im Begriff mit der R. etwas auf den Altar zu legen, während die L. mit einer Rolle vor der l. Hüfte ruhig gehalten wird (vgl. über die Bedeutung der Rolle, die den Bund als legitime „Schriftehe“ bezeichnet, Birt die Buchrolle i. d. Kunst S. 67); bei dem Opfer ministriert ein kleiner Camillus mit langen Haaren und länglicher, doppelt gegürteter Tunica r. von dem Togatus; der Knabe hält mit beiden Händen einen geöffneten Kasten (acerra) vor sich; z. Teil von ihm verdeckt steht Victoria mit hoher Haarschleife, nackend bis auf einen Mantel, der um l. Schulter und Hüften geschlungen ist — an der l. Hüfte hält ihn die l. Hand —, und setzt mit der erhobenen R. dem Togatus einen Kranz auf den vorwärts geneigten bärtigen Kopf. Augenscheinlich galt sein Blick der dicht verhüllten Frau, die l. vom Altar steht; zwischen beiden wird im Grunde der Oberkörper der Iuno Pronuba kenntlich (sie trägt hohes Gewand und ein Diadem in den Haaren); mit ihrer R. umfaßt sie die Schultern der Frau. Links von der Braut steht Venus mit Diadem, nackend bis auf ein Mäntelchen, das die vor den Schoß gesenkte R. und die erhobene L. halten; die L. scheint dabei zwei Mittelfinger auszustrecken; wieder l. von ihr steht unten Amor und blickt empor; er muß mit beiden Händen eine Fackel gehalten haben; ebenso ein geflügelter Jüngling mit einer auf der r. Schulter geknöpften Chlamys, der nach l. hin vortritt, aber den Kopf nach der Mitte wendet; es ist Hymenaeus; l. von ihm folgen noch zwei geradeaus gewendete, aber auch nach der Mitte blickende Brautjungfern mit doppelt gegürteter Tunica; die R. hält mit beiden Händen ein Tuch, das sie eben aus dem Kasten genommen hat, den die andere geöffnet vor sich hält; diese legt die R. vor die Brust. Rechts von der Victoria wird ein Opferstier mit dreieckigem Aufsatz auf dem Kopfe von einem bärtigen Victimarius herangeführt, S.292 der mit der L. das Beil schultert; an ihn schließt sich noch ein Jüngling mit Stiefeln, doppelt gegürteter Tunica und einem Mantel, der auf der r. Schulter geknöpft ist, vorne in einem Zipfel herabhängt und den l. Arm freiläßt; er schultert etwas, augenscheinlich Fasces, und war demnach ein Lictor.
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Auf der r. Nebenseite — beide Seiten sind in Flachrelief ausgeführt — reitet ein Mann mit gegürteter Tunica und wehendem Paludamentum, den Speer mit der L. schulternd, die R. geöffnet vorstreckend, auf einem Pferde mit gefranster Schabracke nach l.; das Pferd wird geführt von einem stark ausschreitenden Jüngling mit Mantel, der mit der R. einen Speer schultert und umblickt; r. eine Felsgrotte. Auf der l. Nebenseite stehen sich vor einem Parapetasma, das jederseits an einen Baum geknüpft ist, ein Togatus (l.) und eine verhüllte Frau gegenüber und reichen einander die Hände; er hält in der L. eine Rolle. Die r. Nebenseite soll jedenfalls ebenso wie die Victoria, auf die militärische Laufbahn, der Lictor auf die hohe amtliche Stellung des Mannes deuten, die Gruppe der l. Seite den Abschied der Gatten beim Tode des einen darstellen; die Rolle des Togatus enthält das Testament, die auf der Vorderseite den Ehecontract (vgl. Birt a. a. O. S. 67 und 74). Der Annahme Roßbachs (a. unten a. O.), die r. Nebenseite stelle nach Analogie etruskischer Denkmäler den Todesritt des Mannes dar, widerspricht, daß der Führer des Pferdes deutlich als menschlicher Geleiter charakterisiert ist, also unmöglich einen Todesdämon darstellen kann: der Gestus des Reiters bleibt uns allerdings unerklärlich. Die Composition der Vorderseite ist schön, und auch die Ausführung scheint gut gewesen zu sein. Ein Sarkophag mit einer in allen Hauptsachen übereinstimmenden Vorderseite wurde 1844 in Monticelli bei Tivoli gefunden und von Brunn a. unten a. O. publiciert (Mon. d. I. IV Taf. IX; er gelangte zunächst ins Museo Campana und von da nach Petersburg: Kieseritzky Ermitage Nr. 192 [hier Angabe älterer Literatur]). Auf dem vaticanischen Sarkophag ist die Composition um zwei Figuren ärmer, und gewisse Einzelheiten sind verändert. Dort entspricht dem Altar in der Mitte ein Dreifuß mit brennender Flamme, in die der S.293 Togatus aus einer Schale eine Spende gießt; r. von ihm steht außer dem Camillus noch eine kleine Camilla, die Früchte in ihrem Gewandbausche hält; diese Figur ist an dem Sarkophag im Vatican ausgelassen, und die Früchte, die augenscheinlich nicht fehlen durften, liegen bereits auf dem Altar. Zu den beiden Brautjungfern kommt dort noch eine dritte; die Dreizahl gab Brunn den Gedanken ein, hier die Grazien zu erkennen; auch ihre Kleidung habe nichts Römisches. Doch ist ein Unterschied zwischen weiblicher Tunica und weiblichem Chiton nirgends nachzuweisen, die Beschäftigung der Mädchen mit der Schachtel und ihrem Inhalt will für die Göttinnen nicht recht passen, und der Raummangel allein würde es doch nicht erklären, daß der eine Bildhauer aus der in später Zeit durchaus typischen Dreiheit der Grazien eine Zweiheit gemacht hätte. Der Amor hält dort mit der gesenkten R. den Köcher und hielt in der vorgestreckten L. den Bogen, Attribute, die er hier sicher nicht gehabt hat; die Figur wirkt hier weit lebendiger, als dort, wo sie ruhig geradeausblickend dasteht; nur muß die Wiederholung des Motives der schräg gehaltenen Fackel bedenklich gewesen sein. Eigentümlich ist, daß Hymenaeus, Venus und Victoria dort mit Untergewand bekleidet sind; zudem ist Hymenaeus ungeflügelt, für ihn ist zweifellos die Gestalt, in der er im Vatican erscheint, die gewohntere (vgl. Sauer bei Roscher Mythologisches Lexikon I Sp. 2803 f.). Victoria kommt sonst so wenig bekleidet nicht vor (vgl. Bulle bei Roscher a. a. O. III Sp. 353 ff.); aber die Tatsache, daß die Göttin auf einem anderen Sarkophage eben hier Nr. 39 in ganz gleicher Bildung erscheint, beweist doch, daß diese in spät-römischer Zeit den Künstlern geläufig war. Venus stellten die Römer bekleidet und unbekleidet dar. Nehmen wir die richtige Beobachtung Roßbachs hinzu (a. unten a. O.), daß bei den drei Figuren in Petersburg das Gewand in ermüdender Gleichmäßigkeit von einer Schulter gleitet, worin augenscheinlich ein gewisserkoketter Reiz gesucht wurde, so werden wir kaum zweifeln können, daß alle drei auf dem Vorbild, das den beiden Sarkophagen zugrunde lag, so gestaltet waren, wie an dem vaticanischen. Die S.294 Deutung der r. Eckfigur als Lictor wird durch den petersburger Sarkophag bestätigt (vgl. außerdem hier Sala delle muse Nr. 522 und zu der Tracht des L. dort Hauser Österreich. Jahreshefte 1907 S. 153 ff.). Auf den Nebenseiten sind dort andere Bilder dargestellt, r. eine Jagd, l. ein Bild des Landlebens. Künstlerisch ist manches dort gelungener, manches hier; die Iuno ist dort ungleich schöner; dagegen ist die Figur der Braut hier weniger schablonenhaft und ausdrucksvoller; besser sind hier Amor und Hymenaeus, wogegen dort wieder die r. Eck gruppe, vom Stier an, lebendiger ist. Im ganzen macht die Arbeit hier einen schlichteren Eindruck. Daraus, daß auf dem petersburger Sarkophag Togatus und Popa unbärtig, im Vatican bärtig sind, kann man schließen, daß jener vor der Zeit des Hadrian, dieser später gearbeitet wurde; gegen einen allzuspäten Ansatz spricht die Qualität der Arbeit.
Der Sarkophag kam in den Vatican aus der Villa di Papa Giulio, ebenso wie der Amazonen-Sarkophag Nr. 49. Eine Zeichnung aus dem 16. Jahrhundert mit Ortsangabe hat sich im Coburgensis erhalten.
Gerhard-Platner S.131 Nr. 15;
Gerhard Antike Bildwerke Taf. LXXIV;
ders. Prodromus S. 313;
Brunn Ann. d. I. 1844 S. 186 ff. = Kleine Schriften I. S. 4 ff. mit Abb.;
Roßbach Römische Hochzeits- und Ehedenkmäler S. 105 ff. Nr. 1;
Matz Monatsberichte der Kgl. preuß. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1871 S. 497, 236 Nr. 89;
A. Herzog Stati epithalamium S. 33 ff.
Darunter: zwei Bankstützen (Taf. 25), von denen nur die linke z. T. antik ist; Löwenpranke mit Flügeln und Kopf (H. 0,44 m. Br. 0,15 m. T. 0,31 m. Feinkörniger gelblicher Marmor. Ergänzt die untere Partie mit der Tatze und Flicken im l. Flügel); schlecht.