Marcus Licinius Crassus (consul of 70, 55 BCE)
Plaster cast.
Original: marble, height 24,5 cm.
The age of Augustus (replica), 2nd quarter of the 1st century B.C. (prototype).
Munich, Museum for Casts of Classical Sculptures

Marcus Licinius Crassus (consul of 70, 55 BCE).

Plaster cast.
Original: marble, height 24,5 cm.
The age of Augustus (replica), 2nd quarter of the 1st century B.C. (prototype).

Munich, Museum for Casts of Classical Sculptures
(München, Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke).

Paris, Louvre Museum.
Origin:
From the Villa Albani.
Description:
Deutsch S.276 Bisher nicht überzeugend benannt ist das andere spätrepublikanische Porträt, das in mindestens vier Repliken erhalten ist, nämlich in der Büste Cat. 655 der Ny Carlsberg Glyptotek (Abb. 2426)80 sowie den Köpfen in Paris (Louvre, Abb. 27. 28)81, Rom (Museo Torlonia, Abb. 29. 30)82 und Petworth House (Abb. 3133)83. Da die beiden zuletzt genannten als moderne Wiederholungen verdächtigt worden sind84, soll die Kopenhagener Büste zuerst mit der Replik im Louvre verglichen werden. Die weitgehenden Übereinstimmungen machen deutlich, daß beide das Vorbild recht genau zu kopieren suchen. Das kurze S.278 Haar ist als dichte Kappe angegeben; es ist an den Stirnecken etwas gelichtet und teilt sich über dem rechten Auge mit einer Gabelung, von der aus die Strähnen zur Seite gestrichen sind. Der Haarwirbel ist exzentrisch, nach links verschoben. Die Stirn ist in horizontale Falten gelegt, die plastisch abgehobenen Brauen sind etwas zusammengezogen und beschatten die tiefliegenden Augen. Der Nasenrücken ist bei beiden leicht geschwungen. Die Faltensysteme an Wangen und Hals sind Zug um Zug wiederzufinden. Ein genauerer Vergleich erbringt aber auch Unterschiede. Das Haar der Büste Cat. 655 ist bewegter; Parallelen werden weitgehend vermieden, große Bewegungen aufgelöst in kleine Partien, die unterschiedliche Reliefhöhe haben; der Querschnitt der Strähnen ist kantig. Das Scheitelhaar ist kleinteilig, in Haarflämmchen aufgelöst. Einzelne Strähnen sind plastisch herausgehoben; dazwischen liegen flache ungegliederte Partien. Die Strähnen über der Stirn sind oben flach und fächern sich gegen das Ende hin auf; sie sind zum Teil durch Bohrung getrennt. Das Haar an den Seiten wirkt durch die Schichtung der Lockenspitzen plastisch bewegt. Auch am Haarwirbel wird eine Staffelung der Locken versucht: Über die flachen Strähnen des zentralen Sterns legen sich kleine Haarflammen.

Beim Kopf im Louvre sind die Strähnen dagegen zu großen Flächen zusammengefaßt, die meist durch parallele Kerben unterteilt werden. Das Stirnhaar ist zu einer geraden Linie zusammengeschoben. Überlagerung und Staffelung der Locken sind selten; wo sie angestrebt werden, wirken die Haarflocken wie in weichen Untergrund eingedrückt.

Die Stirn der Büste in Kopenhagen wirkt flächig; Muldungen finden sich nur an Schläfen und Stirnmitte; die Stirnfalten laufen parallel. Die Bewegung der Wangen ist weich und fließend. Beim Kopf im Louvre ist mehr Wert auf klare Gliederung gelegt. Die Stirn wird durch Wölbungen und Muldungen bewegt, die Falten laufen nicht parallel. An der Augenpartie ist die Haut auch beim inneren Winkel geknittert. Die Gliederung der Wangen ist stärker betont und linearisiert. Die Falten vor den Ohren, aber auch die hintere Staufalte an der linken Gesichtsseite, die bei der Kopenhagener Büste kaum wahrnehmbar sind, werden hier deutlich angegeben. Das Kinn ist spitzer und dünner, die hängende Haut schlaffer. Auffällig ist die unterschiedliche Form des Mundes, der bei beiden Repliken in die Länge gezogen und damit flächig ausgebreitet ist. Während die Lippen aber bei der Büste voll und geschwungen gebildet werden, sind sie beim Kopf in Paris bandartig schmal.

Die Kopie in Petworth House läßt sich jetzt aufgrund der Neuaufnahmen des Forschungsarchivs für römische Plastik zuverlässiger beurteilen (Abb. 3133). Sie machen klar, daß der Kopf durch die starke plastische Bewegung von Stirn und Wangen der Wiederholung in Paris nahesteht, ebenso durch das spitze Kinn, die markant gezeichneten Faltensysteme, die schmalen Lippen und die parallele Führung der Strähnen. Über dem rechten Schlüsselbein ist der Ansatz der Halsmuskulatur durch herausgehobene Muskelstränge angegeben. Dieser Teil fehlt der Pariser Replik, die im Falle einer Fälschung als Vorbild hätte dienen müssen, entspricht aber der Büste in Kopenhagen, mit der auch der senkrechte Verlauf der Hängefalten am Hals und die Trennung der Stirnlocken übereinstimmen. Die Replik der S.280 Sammlung Torlonia (Abb. 29. 30) scheint stärker überarbeitet. Auch sie wiederholt zahlreiche Züge des Kopfes im Louvre, so die zusammengeschobenen Stirnhaare, die plastische Gliederung der Stirn, die parallele Führung der Locken und die tiefen Falten. Dagegen entsprechen die senkrechten Halsfalten den Porträts in Kopenhagen und Petworth House. Die beiden in ihrer Echtheit angezweifelten Repliken weisen somit Elemente des Kopfes im Louvre, aber auch der Büste in Kopenhagen auf, die erst nach den umstrittenen Stücken bekannt wurde: Sie dürfen daher als echt gelten. Dafür spricht bei der Replik Torlonia auch, daß die ergänzte Nase, die bei moderner Entstehung auf den Fälscher zurückgehen müßte, nicht die schmale, gebogene Form des angeblichen Vorbildes im Louvre hat, sondern dicker ist und dadurch die vermeintlich angestrebte Ähnlichkeit wieder aufhebt.

Der Pariser ’Galba’ mit stärker bewegter Stirn, schlaffer Haut an Wangen und Hals, markanten Faltensystemen, bandartig in die Länge gezogenen Lippen und zusammengeschobenem Stirnhaar darf damit als die zuverlässigere Überlieferung des Urbildes gelten und ist als Ausgangspunkt für dessen Datierung zu benutzen. Damit kann das Grabrelief von der Via Statilia85 verglichen werden, das nach der Frisur der Frau spätestens um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. angesetzt werden muß. Bei beiden Gesichtern sind die Falten der unteren Stirnhälfte zu den horizontalen, plastisch abgehobenen Brauen herabgef ührt, die ihrerseits etwas zusammengezogen sind und über der Nase ein von Falten umschriebenes Dreieck aussparen. Auch die Krähenfüße neben den Augen, die Falten der Wangen und die bandartigen Lippen sind sehr ähnlich. Beide Köpfe sind also in der gleichen Formensprache gestaltet, wobei mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß sie für das Grabrelief konzipiert worden ist86. Das Urbild des Typs Paris-Kopenhagen ist daher im zweiten Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. anzusetzen; eine genauere Datierung verbieten der Kenntnisstand der spätrepublikanischen Porträtkunst im allgemeinen87 und besonders die zwischen 75 und 40 v. Chr. schwankende Datierung des Grabreliefs88. Die vorgeschlagene Entstehungszeit läßt sich durch den Vergleich mit der Bronzestatue des Arringatore bekräftigen89, trotz des unterschiedlichen Materials und der unterschiedlichen Herkunft. Wir ziehen für den Vergleich wiederum den Kopf im Louvre (s.o.) heran. Das Haar ist bei beiden von einer S.282 Gabelung über dein rechten Auge zur Seite gestrichen, wobei eine nahezu horizontale Linie entsteht. Das Schläfenhaar ist zurückgestrichen und in einem Halbkreis schwungvoll nach vorne geführt. Oben und im Nacken ist es in aneinander und übereinander geschobene Schuppen geteilt, die beim Wirbel zum Teil im rechten Winkel aneinander stoßen. Die Faltensysteme an Stirn und Wangen sind gleich, bei der Bronzestatue jedoch weicher ausgef ührt. Der Mund ist bei beiden dünn in die Fläche gezogen.

Bei der Datierung der Kopien ist von signifikanten Unterschieden auszugehen. Das Nackenhaar des Kopfes im Louvre (Abb. 28) mit den klar umgrenzten, parallel geteilten und unten meist schräg geschnittenen Haarflächen erinnert an augusteische Köpfe; besonders nahe ist die Haarangabe bei L. Caesar in Aquileia90. Die Haare im Nacken der Kopenhagener Büste (Abb. 26) sind anders stilisiert: Sie sind in kleine, halbmondförmige Flocken geteilt, die allein stehen oder zu größeren Partien zusammengefaßt sind; die einzelnen Strähnen werden dadurch aber nicht isoliert. Dabei wird versucht, den einzelnen Locken unterschiedliche Reliefhöhe zu geben. Die Zwischenräume sind kleinteilig und von wechselnder Gestalt; sie wirken unruhig und belebt. Dies entspricht, im Rahmen der durch das Urbild gesteckten Grenzen, der bei Cat. 599 beschriebenen Haarangabe und spricht für eine Datierung in tiberische Zeit. Eher ans Ende dieses Zeitraums weist die Büste, deren Größe über die augusteische Epoche deutlich hinausführt91. Die konkaven Einziehungen am Büstenrand sind ausgeprägter auch an der Marmorbüste Caligulas in New York zu finden92. Aber solange eine detaillierte Untersuchung zur Entwicklung der Büstenform aussteht, bleibt dieses Argument von zweifelhaftem Wert.

[…]

S.284 Die Büste Cat. 655 muß, da alle vier Repliken aus Rom und Umgebung stammen, einen berühmten Römer des zweiten Viertels des 1. Jahrhunderts v. Chr. darstellen, den wir unter den Vorfahren der Licinii Crassi Frugi zu suchen haben105. In Frage kommen somit die Licinii, Calpurnii und Scribonii der Generation des Pompeius S.285 und Caesars. Die beträchtliche Anzahl erhaltener Repliken läßt vermuten, daß sie den neben Pompeius berühmtesten Ahnen der Familie darstellen, den Triumvirn M. Licinius Crassus, den Konsuln von 70 und 55 v. Chr. Auf den beiden Triumvirn beruhte das Ansehen der Familie, wie Tacitus anläßlich der Adoption des Calpurnius Piso Frugi Licinianus durch Kaiser Galba angibt106. Ein Bildnis des berühmten Crassus wird daher im Familiengrab der Licinier als Gegenstück zum Pompeius gestanden haben, und wir dürfen annehmen, daß es uns in Cat. 655 erhalten ist107. Über sein Aussehen überliefern die Quellen nichts Präzises; Münzbilder fehlen. Einer dunklen Andeutung Ciceros wollten einige der modernen Biographen entnehmen, er sei kahl gewesen. Es bleibt jedoch zweifelhaft, auf wen die Stelle wirklich zu beziehen ist108.


80Poulsen, Portraits I 106f. 156 Nr. 67 Taf. 113f.; H 45, Kopf 25, Gesicht 17,5 cm. B Büste 30, Gesicht 15,7, Augenabstand außen 9, innen 3,5 cm. — Nasenspitze ergänzt. Sinter an Haar, Büste, Büstenrand und Kinn. Oberfläche des Gesichts von der modernen Reinigung etwas verrieben; Brauen und Falten neben den Augen verunklärt.

81E. Fabbricotti, Galba (1976) 57 Taf. 7, 2: H Kopf 24,5, Gesicht 17,7 cm. B Gesicht 16,2 cm. — Aus der Villa Albani, wo der Kopf spätestens seit 1785 nachzuweisen ist, vgl. H. Beck — P. C. Bol, Forschungen zur Villa Albani (1982) 370 (A 495) und Konkordanz nach S. 409. Ergänzt: Nasenspitze, linkes Ohr, größter Teil des Halses, linke Braue.

82C. L. Visconti, Les monuments de sculpture antique du Musée Torlonia (1884) 105 f. Nr. 142 («Acquisition Torlonia»): Nase, mittlere Stirnpartie, Teil des Hinterkopfes ergänzt. Falten an Stirn und Augenpartie weggeglättet.

83M. Wyndham, Catalogue of the Collection of Greek and Roman Antiquities in the Possession of Lord Leconfield (1915) 126 Nr. 75 Taf. 75. — H Scheitel — Kinn 29 cm. Nase ergänzt. Zwischen 1750 und 1760 in Rom gekauft, vgl. H. Oehler, Foto und Skulptur (1980) 80. — S. Howard, Bartolomeo Cavaceppi (1982) 45 ff.

84Poulsen, Portraits I 106.

85Rom, Konservatorenpalast Inv. 2142. H 181 cm: D. Mustilli, Il Museo Mussolini (1939) 102 Nr. 9 Taf. 56 f. — O. Vessberg, Studien zur Kunstgeschichte der römischen Republik (1941) 186 ff. 249f. 265 Taf. 271. — B. Schweitzer, Die Bildniskunst der römischen Republik (1948) 85. 87. 89. – Helbig4 II Nr. 1631 (H. von Heintze). — W. Trillmich, Das Torlonia-Mädchen (1976) 39 Anm. 127 a; 59 Taf. 19, 1.2. — E. K. Gazda, ANRW I 4, 1973, 867f. Abb. 11ff. — H.-G. Frenz, Untersuchungen zu den frühen römischen Grabreliefs (1977) 31. 210f. — D. Kleiner, Roman Group Portraiture (1977) 201 f. Nr. 11 Abb. 11. — Fittschen-Zanker III 40 (Z.).

86Vgl. P. Zänker in: Hellenismus in Mittelitalien II (1976) 594 f.

87Vgl. E. Berger in: Eikones. Festschrift H. Jucker (1980) 66 f.

88Vgl. Anm. 85. Die Datierung schwankt zwischen 70 v. Chr. (Frenz a. O. 31) und 50—40 v. Chr. (Fittschen — Zänker III a. O. 40).

89T. Dohrn, Der Arringatore (1968) bes. Taf. 1. 8ff. — K. Fittschen, RM 77, 1970, 177f.

90V. Santa Maria Scrinari, Sculture romane di Aquileia (1972) 63 Nr. 183. — Replikenliste: Fittschen, Erbach 40 Anm. 25. — Inst. Neg. Rom 82.273-277.

91Die spätaugusteische Augustusbüste aus dem Fayum ist merklich enger: Poulsen, Portraits I 63f. Nr. 32 Taf. 47 ff. — H. Jucker, ANRW II 12, 2 (1981) 679f.

92G. M. A. Richter, The Metropolitan Museum of Art. Roman Portraits (1948) Nr. 36 (seitenverkehrt!). — Dazu demnächst Verf. in: Das römische Herrscherbild
Literature:
Fabbricotti E. Galba. Roma, 1976. P. 57 Ill. 7.2.
Boschung D. Überlegungen zum Liciniergrab // Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Bd. 101. 1986. S. 276—284. Abb. 25.
de Kersauson K. Musée du Louvre. Les portraits romains. T. 1. Paris, 1986. P. 106 f. № 47.
Credits:
© Text, photo: Boschung D. Überlegungen zum Liciniergrab // Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Bd. 101. 1986. S. 276—284. Abb. 27.
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